Wildeshausen/Wardenburg - „Wir wollen, dass Fairness in die Sache kommt“, sagt Axel Iben, während er seinen Trecker durch Ganderkesee fährt. Vor und hinter ihm rollen viele weitere Maschinen, alle mit demselben Ziel: Oldenburg. An der Weser-Ems-Halle wollen Landwirte aus der Region gegen die aktuelle Agrarpolitik demonstrieren. Nicht nur aus Ganderkesee, sondern aus mehreren Teilen des Landkreises Oldenburg nehmen Landwirte an der Demonstration teil.
Zwei Stunden früher
„Auf dem Hof haben wir heute zwei Stunden eher angefangen“, erklärt Iben, dessen Arbeitstag sonst um 6 Uhr beginnt. Auch wenn er den regenfreien Tag gut für Restarbeiten nach der Maisernte gebrauchen könnte, nimmt er an der Fahrt zur Demo teil. „Wir wollen nicht einfach als Umweltsünder abgestempelt werden.“ Iben vermisst derzeit Objektivität in der politische Diskussion. „Es geht da nicht mehr um Wissenschaft, sondern um Gefühle.“
Vor allem von Julia Klöckner und Svenja Schulze, den Bundesministerinnen für Landwirtschaft sowie Umwelt und Naturschutz, fühlt sich Iben derzeit im Stich gelassen. „Die verweigern ja einen Dialog mit uns“, sagt er. Dass jetzt Schlag auf Schlag neue Verordnungen auf Landwirte zukommen, findet er nicht gut. „Die 2017er Düngeverordnung war größtenteils schon in Ordnung, davor gab es etliche Fehler“, so Iben. „Aber die hätte jetzt auch erstmal wirken müssen.“
Die Treckerkolonne aus Ganderkesee – eine von mehreren – erreicht schließlich Oldenburg. Verkehrstechnisch geht stadteinwärts nichts mehr, die Landmaschinen bleiben auf der Bremer Heerstraße stecken. Trotz der Verkehrsbelastungen gibt es aber positive Rückmeldungen: Passanten zeigen den Daumen nach oben, Lkw-Fahrer grüßen mit Lichthupe. „In den sozialen Medien haben wir auch viel Zuspruch bekommen“, freut sich Iben.
Zu den Kundgebungen an der Weser-Ems-Halle schafft er es letztendlich nicht mehr, aber die Fahrt nach Oldenburg findet Iben deshalb nicht vergebens. „Wir haben unseren Beitrag geleistet, das war das Ziel.“
Nach Oldenburg fuhr auch Wilfried Seghorn aus Dötlingen, er leitet einen Ackerbaubetrieb mit Schweine- und Hähnchenmast. „Wir fordern, dass mit gleichen Maßen gemessen wird. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern wird zusammen so viel Nitrat eingeleitet, dass man 170 000 Hektar damit düngen könnte. Das muss öffentlich auch mal dargestellt werden“, betont der 70-Jährige im Gespräch mit der NWZ.
Sven Bliefernich ist einer von rund 30 Junglandwirten, die allein aus der Gemeinde Wardenburg per Trecker nach Oldenburg fuhren. Er sieht keinen Grund, weshalb die Düngeverordnung überarbeitet wurde: „Dies war noch nicht notwendig, die alte Verordnung hat noch gar nicht gegriffen“, betont der 27-Jährige, er betreibt einen Milchviehbetrieb mit 120 Kühen in Benthullen. Er möchte einmal den elterlichen Betrieb übernehmen. „Aber wenn das in den nächsten Jahren so weiterläuft, dann habe ich wohl keine Chance, den Hof auch noch in der vierten Generation weiterzuführen“, meint Bliefernich, der es mittlerweile leid ist, dass die Landwirte immer an allem Schuld sein sollen.
Die Konkurrenz mit dem Weltmarkt bereitet Jürgen Feye aus Harbern II Sorgen: „Weltmarktpreise mit deutschen Auflagen – das geht nicht. Die Politik muss sich mehr mit uns absprechen und auch unsere Interessen berücksichtigen“, sagt der 52-jährige Betreiber eines Milchviehbetriebes mit 100 Kühen. Besonders schade findet er, dass viele Kinder ab der 6. Klasse nicht mehr sagen würden, dass ihre Eltern einen Hof betrieben. „Daran erkennt man, was für einen Stand wir in der Gesellschaft haben.“ Bianca Kiewitt aus Harbern I möchte sich mit ihrer Teilnahme dafür einsetzen, dass die Landwirtschaft in Zukunft bestehen kann.
„Es war imposant“
Eine erste Einschätzung gibt der Vorsitzende des Kreislandvolkverbandes Oldenburg, Jürgen Seeger, kurz nach der Demonstration ab. „Die Stimmung war normal – nicht aufgeheizt, niemand war am ,rumbölken’“, sagt der Landwirt aus Haschenbrok. „Ab und zu wurde auch mal gehupt – es sollte ja ein lauter Protest werden.“ Der springende Punkt, warum es zu dieser großen Demonstration gekommen sei, war seiner Meinung nach, dass kein Verband mehr an Gesetzgebungsverfahren beteiligt werde.
Die Demonstration am Dienstag dürfte jedenfalls nicht nur bei Außenstehenden, sondern auch bei den Landwirten einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Seeger: „Es war imposant, wie viele Landwirte daran teilgenommen haben.“