Oldenburg/Bremen - Der frühere Star-Unternehmer Niels Stolberg (53) hat erneut Post von der Staatsanwaltschaft Bremen bekommen: In ihrer mittlerweile dritten Anklageschrift werfen die Strafverfolger dem Ex-Chef der Reederei Beluga Betrug und Untreue in besonders schweren Fällen vor. Zwei Anklagen wegen Bilanzfälschung und Kreditbetrugs liegen bereits bei der Wirtschaftsstrafkammer des Bremer Landgerichts; einen Termin für die Hauptverhandlung gibt es noch nicht.

Wie immer im Fall Beluga ist der Sachverhalt auch bei den neuen Vorwürfen komplex: Unter anderem soll Stolberg einen Hamburger Mitgesellschafter um 10 Millionen US-Dollar (ca. 7,8 Mio. Euro) geprellt haben. Der Anklage zufolge spielte sich das so ab: Stolberg hatte mit einer chinesischen Werft den Bau von vier Frachtern vereinbart. Als der Mitgesellschafter ins Spiel gekommen war (weil Stolberg keine Kredite mehr von den Banken bekam), schloss Stolberg mit der Werft einen neuen, rückdatierten Vertrag ab – über einen höheren Kaufpreis. Nach Zahlung der höheren Summe soll die Werft die Differenz auf das Konto einer weiteren Stolberg-Gesellschaft zurückgezahlt haben. Der Hamburger Geschäftspartner erfuhr weder etwas von dem ersten Vertrag noch von der sogenannten Kommissionszahlung der Werft an Stolberg.

Die Staatsanwaltschaft wirft Stolberg außerdem Betrug im besonders schweren Fall zum Nachteil des US-Finanzinvestors Oaktree vor, der 2010 bei Beluga eingestiegen war. Hinzu kommen laut Anklage zwei Fälle von besonders schwerer Untreue. Den verursachten Gesamtschaden der Betrugs- und Untreuefälle beziffert die Behörde auf eine zweistellige Summe.

Damit bekommt die Debatte um den einstigen „Unternehmer des Jahres“ eine neue Qualität: Stolberg hatte immer beteuert, niemanden geschädigt und sich nie bereichert zu haben. Jetzt präsentiert die Staatsanwaltschaft mit dem Hamburger Geschäftspartner einen Geschädigten – und der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Frank Passade, stellt mit Blick auf Stolberg fest: „Vielleicht nicht unmittelbar, aber mittelbar ist das Geld in seine Tasche geflossen.“


Niels Stolberg weist die Vorwürfe zurück. „Ich habe mich nie bereichert“, wiederholte er auf Nachfrage der NWZ . Er habe die Begründung der Staatsanwaltschaft „noch nicht ganz nachvollziehen können“, sei aber überzeugt, dass sich „auch hier vieles relativieren wird“. Er bleibe optimistisch und werde die Vorwürfe vor Gericht entkräften – sofern die neue Anklage überhaupt zugelassen werde.

LINK: Das ARD-Radiofeature „Herr der Schiffe“ über Nils Stolberg

Eine gute Nachricht gab es immerhin für Stolberg: Die Ermittlungen wegen illegalen Waffentransports nach Myanmar und wegen Veruntreuung von Spendenzahlungen für die „Beluga School for Life“ in Thailand sind eingestellt. Laut Sprecher Passade sieht die Staatsanwalt von einer Strafverfolgung ab, weil gegen Stolberg bereits drei Anklagen erhoben wurden, „in denen ihm Vermögensdelikte mit einer Gesamtschadenssumme im zweistelligen Millionenbereich zur Last gelegt werden“, und der Angeschuldigte „im Falle einer Verurteilung mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen hat“.

Stolberg nennt diese Begründung „armselig“ und sagt: „An den Vorwürfen war nie etwas dran.“

Dass es mehr als eineinhalb Jahre nach der ersten Anklage gegen Stolberg noch keinen Termin für eine Hauptverhandlung gibt, liegt an der Komplexität des Falles und an der Unmengen an Beweismitteln. Die Richter sichten derzeit das Material für die ersten beiden Anklagen, sagte Landgerichtssprecher Dr. Thorsten Prange auf Nachfrage. Zu der dritten Anklage könne er noch nichts sagen, da noch keine Zustellungsurkunde vorliege.

In Justizkreisen rechnet man mit einen Prozessbeginn nicht vor Sommer 2015.

Niels Stolberg, geboren 1960 in Brake/Unterweser, hatte die Bremer Reederei Beluga 1995 gegründet. Als das Unternehmen 2010 während der Schifffahrtskrise in Schieflage geraten war, holte er den US-Finanzinvestor Oaktree ins Boot. Der setzte Stolberg ein Dreiviertel später vor die Tür. Beluga ging in die Insolvenz, 670 Mitarbeiter waren von der Pleite betroffen. Stolberg, der heute in Oldenburg lebt, meldete Privatinsolvenz an. Vor kurzem machte er wieder von sich reden – als Aufsichtsrat der Green Sailing GmbH mit Sitz in Hamburg, die mit umweltschonender Segeltechnologie die Kreuzfahrt revolutionieren will.