Bremen - Es klappert. „Erika“ klappert. „Erika“ ist eine Kofferschreibmaschine, ein 20er-Jahre-Modell. „Erika“ ist auch ein Symbol für die systematische Vernichtung der jüdischen Mitbürger in der Nazizeit.
Und so spielt das Schreibmaschinenklappern als „Hintergrundgeräusch der Ausplünderung“ seine Rolle in der Ausstellung „Ausplündern und Verwalten“, die vom 28. November bis 31. März 2015 im denkmalgeschützten „Haus des Reichs“ geplant ist.
Die Ausstellung im Dienstsitz des Finanzressorts sowie ein Buch, das pünktlich zur Ausstellung erscheinen soll, setzen sich mit der Rolle der Finanzverwaltung bei der Ausbeutung, Verfolgung und Vertreibung der Juden im Nationalsozialismus auseinander. So werde deutlich, wie Mitarbeiter der Verwaltung, des damaligen Oberfinanzpräsidiums, „als willfährige Handlanger im Vernichtungsprozess fungierten“, sagt Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne).
Zu Taten bekennen
„Es ist uns wichtig, dass die Finanzverwaltung sich zu ihren Taten bekennt, die eigene Geschichte aufarbeitet und sich mit ihr auseinandersetzt“, ergänzt Staatsrat Henning Lühr. Buch und Ausstellung sind Ergebnisse eines Forschungsprojekts vom Institut für Geschichtswissenschaft der Uni Bremen in Kooperation mit dem Finanzressort.
Von 1933 bis 1945 wurden Juden auch in Bremen enteignet. Die wirtschaftliche Existenz jüdischer Familien wurde systematisch vernichtet, Firmen, Häuser und Grundstücke wurden zwangsverkauft und der Besitz ausgewanderter und deportierter Juden zugunsten der „Volksgemeinschaft“ einbehalten.
Die Finanzverwaltung zog die Fäden beim „Raub von Amts wegen“, trieb „Judenvermögensabgabe“ und „Reichsfluchtsteuer“ ein. Zahlreiche Bremer profitierten von der „Arisierung“. Spediteure kassierten für den Transport jüdischer Umzugsgüter überzogene Preise. Gerichtsvollzieher organisierten Versteigerungen der eingezogenen Mobilien – und „ganz normale“ Bremer versorgten sich auf den „Judenauktionen“ mit wertvollen, nützlichen und schönen Dingen.
Das alles soll in der Ausstellung sichtbar werden. „Das ,Haus des Reichs‘ ist ein offenes Haus“, sagt Lühr. „Und es wird ein Ort des Erinnerns.“
Auf Stellwänden mit Fenstern werden Auszüge aus Steuerakten dokumentiert. Der Auszug aus einem Versteigerungsprotokoll listet haarklein auf, welche Vermögensgegenstände bei einem „Israel Abraham“ eingezogen wurden – von sechs Stühlen über ein Bücherregal und einen zweiflammigen Gasherd bis hin zu acht Zentner Kohlen und drei Zentner Kartoffeln.
Fundstücke wie Wohnzimmerschränke, die im Finanzamt landeten, ein Gestell für Waschgeschirr aus „Judenauktionen“, das noch heute in einem Bremer Kleingarten genutzt wird, und eben eine Reiseschreibmaschine „Erika“ werden gezeigt.
Viele Schicksale
Vitrinen beleuchten Einzelschicksale. So hat der Familienforscher Peter Christoffersen beispielsweise das Leben von Selma Beverstein, geborene Rothschild, nachgezeichnet. 1884 in Oldenburg geboren, landete diese 1920 aus Berlin kommend in Bremen. Sie erwarb ein Haus im Steintor, wo sie ein Putzmachergeschäft und später eine Weißwarenhandlung eröffnete.
1933 heiratete sie den Architekten Robert Beverstein. Die Ehe hielt nur wenige Jahre, Beverstein nahm sich 1937 das Leben. Selma vermietete ab 1925 an die Besitzer des Nachbarhauses, die ein Bekleidungsgeschäft betrieben.
Nach der Machtübernahme der Nazis wurde zunächst die vereinbarte Miete gedrückt, nach der Pogromnacht im November 1938 wurde Selma Beverstein schließlich zum Verkauf ihres Hauses gedrängt. Sie zog zu ihrer Mutter in ein Altenheim, wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt und von dort aus am 15. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurde.